Nr.24 – China – Provinz Xinjiang

Aug 18, 2014 | Asien, Blog, China

 

 

 Sieben lange Kilometer radelte ich durch einen mit Stacheldraht gesicherten Korridor.  Eine nagelneue Straβe, die sich in einer Schleife von der Kasachischen zur Chinesischen Grenze schlängelte. An jedem Laternenpfahl hing eine Kamera.  

Von nun an passt also big brother wieder jeden Tag auf mich auf.  

Die Eingangshalle der Einreisebehörde sah aus wie die Empfangshalle in einem modernen Flughafengebäude. Wow, willkommen im Reich der Mitte.  

 

 

 

 Kurzfristig erinnerte ich mich an den Grenzübergang von Nepal nach Tibet vor etwa 18 Jahren, als mich damals eine spuckende chinesische Grenzpolizistin neben einem völlig verschissenen Klo sitzend total mürrisch zur Kenntnis nahm. Verglichen mit dem was mich heute an dieser Grenze empfing schienen Jahrhunderte vergangen zu sein.  


 

 Als ich die ersten Garküchen am Straβenrand erblickte, dopste ich vor Freude  auf meinen Pedalen hin und her. Wie genial, endlich endlich gibt es was gescheites zu Essen. Endlich war ich in einem Teil Asiens angekommen, in dem die Leute richtig kochen können. Suppen, selbsgemachte Nudeln, Soβen in allen Variationen, leckerer Reis und Gemüse in bester Ausführung.

Die Marktstände waren voller Köstlichkeiten, es war genial. Von jetzt an brauchte ich kein steinhartes Brot mehr essen, keine ranzige Butter, nein, es gab nun Hoffnungen jeden Tag auf meine kulinarischen Kosten zu kommen, denn meine Durststrecke war lang genug gewesen.

Ich merkte wie ausgehungert ich bereits war.  

 

 Gleich im ersten kleinen Restaurant lud man mich zum Essen ein. Der Koch zauberte  in Hand umdrehen ein super leckeres Nudelgericht, bei dem ich vor Freude am liebsten den Teller abgeleckt hätte. Mein Dauergrinsen brachte die Leute zum Lachen, leider konnte ich meine Gedanken nicht mit Ihnen teilen.  

 

Auffallend waren weiterhin die vielen Uiguren, die selbe Bevölkerungsgruppe wie teils  in Zentral Asien, die bekanntermassen hier in der westlichen Provinz Xinjiang leben. 

Han Chinesen sind hier deutlich in der Minderzahl. Von den Konflikten, die in der Region momentan brodeln, lieβ ich mich nicht weiter beunruhigen.  


 

Von nun an ging es immer Richtung Osten. Da lag ein gigantisch groβes Land vor mir und ich hatte gerade einmal ein 30 Tage Visum, mit der Option der einmaligen Verlängerung.

Es war zum Heulen, aber nicht zu ändern. Die Straβe war spannend, wenn auch sehr befahren, denn selbst hier im äuβersten Westen des groβen Reiches sind die Holzkarren und alten Traktoren fast völlig verschwunden. Hier fahren mittlerweile ebenso die groβen, dicken Autos auf den nagelneuen Straβen wie überall sonst auch.

Die Welt wird einfach immer moderner und alles gleicht sich immer mehr an. Doch trotzallem gab es jede Menge zu schauen.

Es war ein Farbenschmaus. Die Häuser waren kunterbunt angemalt und überall am
Straβenrand lagen die unterschiedlichsten Sachen zum Trocknen aus. Die Höfe waren teils voll mit Safran, Lavendel, irgendwelchen Knollen und und und.  

      

 Je weiter ich mich von der Stadt entfernte, desto ländlicher wurde es. Es war herrlich.  Neugierig wurde ich bestaunt und neugierig staunte ich zurück. Ich war in China und konnte mein Glück kaum fassen. Ich hätte die Leute umarmen können und hätte Ihnen am liebsten so viel erzählt und sie so gerne so viel gefragt. Stattdessen freute ich mich für mich alleine und genoβ einfach die tollen Augenblicke.  

Zwei Stunden war es nun später, denn China hat im ganzen Land Peking Zeit, was dazu führt, dass es nun abends erst gegen 23 Uhr dunkel wird. Für mich als Nachtmensch, sehr willkommen.  

In der zweiten Stadt versuchte ich eine Unterkunft zu bekommen und war ersteinmal geschockt von den Preisen. Zudem wurde ich zum ersten Mal mit der Chinesischen Bürokratie konfrontiert. Ausländer dürfen nicht überall übernachten, nur in gehobenen Hotels, nicht in Billigunterkünften.  Na klasse.

Aussitzen und abwarten war meine Devise und ich hatte damit Erfolg. Ich schaffte es ein Hotelzimmer  für 40 Yuan zu bekommen, was eigentlich 240 gekostet hätte. (62 Yuan sind 10 $).  

 Im Internet Cafe am selben Abend, hatte ich bereits nach 1 Stunde Besuch von der Polizei, obwohl ich nur erlaubte Seiten öffnete, zumal man die unerlaubten sowieso nicht öffnen kann. 

Selbst google ist hier gesperrt. Die Polizei kam so zielsicher ins Cafe hinein, dass sie ganz sicher wuβte, dass ich dort sitze. Null Kommunikation, aber ich verstand Pass und Hotel. Der mächtig stinkische Cafe Besitzer schaltete mir den Rechner ab, wobei ich gar nicht wuβte, um was es eigentlich ging. Schluβendlich muβte ich der Polizei zeigen wo ich nächtige.

Der Hotelbesitzer bekam einen Anpfiff, dass er mich noch nicht registriert hatte und fing sofort an zu versuchen meine Daten in ein Formular einzutragen, was ungelogen nach 1,5 Stunden immer noch nicht erfolgreich geglückt war, da das Programm immer wieder abstürzte.

Irgendwann platzte mir der Geduldsfaden und ich sagte, ok, noch einmal und dann ist schicht, ich will ins Bett. Komischerweise war die Polizei, die dort mit 3 Mann saβen, damit einverstanden und lies mich gehen. Es war ja auch bereits nach Mitternacht gewesen.  

 Ich bog auf die G218 ab, die zuerst durch die groβe Stadt Yining führte. Es kam mir  ein biβchen vor wie China Town in New York. Überall blinkte es, riesige Schilder, ein handy Geschäft nach dem anderen, Musik, Rummel, Menschen und Gehupe.

Irgendwie war es eine verkehrte Welt, oder aber ich war solche Städte nicht mehr gewohnt. Jedenfalls staunte ich ordentlich was aus dem China von damals geworden ist.  

Ich versuchte dummerweise hier noch einmal mein Glück eine Übernachtung zu finden,
die Idee endete allerdings in einem Drama. Nur gehobene Hotels. Selbst dort sprach niemand Englisch.  Ich fuhr quer durch die Stadt von einem Hotel zum Nächsten.

Irgendwann entdeckte ich ein Schild Guest House, doch leider darf hier jeder übernachten
nur nicht ich als Ausländerin. Ganz besonders schlau ein Schild anzubringen was ein
Chinese nicht lesen kann. Ein paar weitere billige Hotels durften mich ebenso nicht aufnehmen. Schluβendlich, nach etwa 2 Stunden, versuchte ich in einem 2 Sternehotel mein Glück und fing an zu handeln.

Die Kommunikation wie immer etwas schwierig, endete am Ende darin, dass die Rezeptionistin jemanden anrief und ich doch bitte warten sollte. Und wer tauchte auf?

Die Polizei. Vier Mann standen da nun in der Hotelhalle und ich versuchte mein Bestes zu geben um meine Situation zu erklären. Eine weitere Stunde verging, bis ein Polizist zu mir kam und sagte für 100 Yuan könnte ich dort übernachten.  

 

Der nächste Tag fing mit ordentlichem Gegenwind an, der sich im Laufe des Tages dann irgendwann legte. Die Landschaft war schön. Nicht überwältigend,  aber auch überhaupt nicht langweilig. Ich zeltete bei Leuten direkt an der Straβe und wurde dort zum Grillen eingeladen. Zum Frühstück gab es Schwarztee mit Sahne, Milch, ohne Zucker, dazu Brot, mit dem ich wieder jemanden hätte erschlagen können.

Selbst durchs tunken wurde das Brot nicht weich. Klar, ich frühstückte ja auch bei Uiguren, nicht bei Chinesen.  

 Ich traf zwei Chinesen, die mit dem Rad nach Lhasa möchten. Wir fuhren  einen halben Tag zusammen und aβen in einem kleinen Bretterbude Restaurant zu Mittag. 

Wieder gab es sensationelles Essen. Wir drei teilten uns die Portion und aβen alle vom gleichen Teller. Mittlerweile habe ich mich daran gewöhnt. Das Essen war das allerbeste Essen während der ganzen Reise. Ich hätte mich reinlegen können, so lecker war das Gemüse. Es war ungelogen besser als Muttis Weihnachtsessen und Geburtstagskuchen zusammen, einfach weil ich so sehr ausgehungert war.  

 

 Abends organisierten mir die beiden eine Zeltübernachtung auf dem Polizeigelände  in irgendeinem kleinen Dorf. Leider kann ich die Dorfschilder nicht lesen und somit weiβ ich eigentlich nie wirklich wo ich gerade bin. Der eine der Neugierigen, die um mich rum standen, war so begeistert von meiner Reise, dass er mich in seinem Restaurant zum Abendessen einlud. Super nett. Alles Uiguren, somit Moslems. Sie sind einfach überall irre gastfreundlich. 

 

 Die Straβe nahm irgendwie kein Ende, doch ging es wunderschön durch eine  endlose Allee entlang schöner Bergketten. Abends fragte ich bei einer Moschee ob ich zelten dürfte und wurde daraufhin bei einem alten Mann zu Hause aufgenommen.

Auch hier passierte mir wieder das gleiche. Der alte Mann war nur 3 Jahre älter als ich,
wahnsinn wie man sich hier verschätzt. Ich zeltete im Hof. 

 

 Die Landschaft wurde immer beeindruckender, die Berge immer faszinierender  und die Straβe führte immer höher hinauf.  

 

  

 Am Fuβe des ersten 3200m hohen Passes zeltete ich bei einer Gruppe Han Chinesen,  die in Touristen Jurten nächtigten. Wir tanzten zusammen auf der Wiese und ich wurde unzählige Male fotografiert.
Fotografiert werde ich hier sowieso ständig und dauernd.  

 Die Art der Chinesen ist ein wenig hysterisch, irgendwie erinnert es mich an Amerikaner. Viel Geschrei um nichts finde ich. 

 

 

 

 

 Der Pass war so vernebelt, dass ich absolut nichts davon zu sehen bekam,  zudem ging ein brutaler Wind und es war kalt. Als ich die ersten Gebetsfahnen am Gipfel sah, war ich voller Vorfreude, denn der Buddhismus ist meine liebste Religion.

Mongolen leben hier ebenso in der Gegend, daher gab es von nun an immer mehr buddhistische Symbole entlang des Weges. Moscheen dagegen deutlich weniger.
Die Schilder waren nun teils 3 sprachig. Chinesisch, Mongolisch und Uigur.  

 

 Ich traf vier chinesische Radler, die nach Tibet radeln. Sie blieben in dem Dorf,  in dem wir uns trafen, weil sie ordentlich Gegenwind hatten, während ich nur so nach Osten raste. So lange bis der Wind sich drehte und es anfing zu regnen. Doch kaum später verzauberte der Himmel die Landschaft in kunterbunte Farben und es war einfach nur traumhaft.  

 

 

 

 Ein Auto hielt an und ein Chinese stieg aus und sagte wir kennen uns aus Yazd im Iran.  Wir haben zusammen im Schlafsaal übernachtet. Die Welt ist eben manchmal nicht nur riesen groβ sondern auch ab und an mal winzig klein.  

 

 

 Kaum später fragte ich in einem Dorf nach einem Zeltplatz und netterweise  baten mir Kasachen ihre Jurte an. Es war so eiskalt auf knapp 3000m, dass ich in der Jurte mein Zelt aufstellte um einigermaßen warm zu werden. 

Zum Abendessen wurde ich ins Haus eingeladen. Wieder einmal gab es knochentrockenes Brot und ranziger Butter. Zum Frühstück natürlich das Gleiche.  

 

 

 Ein weiterer Pass und von da an ging es nur noch bergab.  

 

 

 

 Ich rollte durch wunderschöne Landschaft dem nächsten Dorf entgegen.  Eine Familie hielt mich an und fragte wer ich bin und was ich mache. Vor lauter Begeisterung bekam ich Kekse, Süβigkeiten und sogar ein wenig Geld geschenkt.

Im Dorf angekommen wurde ich auch hier wieder zum Essen eingeladen und durfte auch hier wieder in keiner Unterkunft übernachten.  

 Somit fuhr ich weiter auf einer brutal staubigen Piste Richtung Turfan.  Die Piste schlängelte sich wunderschön in einem Fluβtal entlang, parallel dazu die Eisenbahn. Doch die vielen LKWs die dauernd an mir vorbei fuhren wirbelten so viel Staub auf, dass es nur zeitweise eine Freude war die Landschaft zu bestaunen. 

Es war bereits dunkel als ich in einem kleinen Dorf ankam, wo mich die Polizei in ihrem Hof nächtigen lieβ. 2 lustige Polizistinnen, die richtig gut drauf waren sorgten blendend für mein Wohl.  

 Schon irgendwie eine seltsame Regelung. In billigen Hotels läβt mich die Polizei  nicht übernachten, aber zelten auf dem Polizeigelände, das ist kein Problem.  

 

 Weiter ging es der Staubpiste entlang, die schon bald in eine nagelneue Teerstraβe einmündete.  An dieser Kreuzung muβte ichnun eine Entscheidung fällen. Mongolei oder China. Mongolei gen Norden, China gen Osten.

Ich entschied mich für China und werde die Mongolei zu einem späteren Zeitpunkt besuchen. Ich glaube der Hauptgrund war wirklich das Essen, denn die Mongolen sind nicht berühmt für Ihre Kochkunst und ich wollte endlich weiter gut essen.

Doch an diesem Tag kam ich nicht weit. Ein Gewitter zog auf und der Wind wehte brutal aus der falschen Richtung. Ich verschanzte mich eine Zeit lang in einem Kanalgang unter der Straβe, doch es war eiskalt und keine Besserung des Wetters in Sicht.

 

 

 

 Ich fuhr auf eine Häuserreihe zu und fragte nach einem Windschutz für mein Zelt,  doch anstelle dessen, bekam ich ein Zimmer für mich alleine. Irgendwie müssen das Zimmer sein die vermietet werden, doch ich bekam es umsonst und zudem noch Abendessen serviert.


Bisher muβ ich sagen, bin ich total begeistert von der Gastfreundschaft der Chinesen
und Uiguren in der Provinz Xinjiang in der ich momentan unterwegs bin.

Früher hatte ich immer die Meinung über Chinesen, sie seien muffig und unfreundlich.
Da habe ich mich doch sehr getäuscht. Überall werde ich super freundlich begrüβt und total zuvorkommend behandelt. Es macht wirklich riesen Spaβ hier unterwegs zu sein.

Die Chinesen sind neugierig, sehr neugierig sogar, aber nachdem sie alles gesehen und angelangt haben ist ihr Interesse auch schnell wieder vorbei und sie gehen ihrer Wege.

Sie lassen mich morgens überall so lange schlafen wie ich möchte, lassen mir auch sonst überall meinen Freiraum. Sehr angenehm.

Auch spucken sie hier in der Gegend nicht wirklich oft, kein rotzen und nur ein dezentes schlürfen. Vielleicht kommt das noch in anderen Gegenden verstärkter, mal sehn.

 

Laut sind die Leute. Sie unterhalten sich nicht, sie schreien für meine Begriffe sich sogar richtig an. Kommt eine Horde Chinesen in ein Restaurant hinein, dann könnte man meinen ihnen, und wirklich nur ihnen gehört die Welt.

Chaos ensteht, eine wahnsinns Lautstärke bricht plötzlich aus und man hat das Gefühl die Leute nehmen nun das Lokal auseinander.  

Gestritten wird viel. Immer wieder beobachte ich wie sich Leute richtig zoffen und dabei sich ernsthaft anschreien. Teils etwas befremdlich.


Es wird zum Essen grüner Tee gereicht, oder auch Brühe. Teilweise auch nur heiβes Wasser oder Nudelwasser.

Für mich eine wunderbare Möglichkeit meinen Flüssigkeitsbedarf wieder aufzufüllen.
Auch kann man an vielen Stellen seine Flaschen mit gekochtem Wasser auffüllen.

Oftmals bestellen die Chinesen sehr viel zu Essen, so viel, dass sie es unmöglich aufessen können und somit wird sehr oft sehr viel Essen einfach weggeschmissen. Eine Sitte, die ich wirklich nicht als positiv bewerten kann.  


Natürlich liegt auch viel Müll überall rum und auf den Dörfern sieht es teilweise übel aus,
von Moderne keine Spur. Gebaut wird ohne Ende, Straβen, neue Häuser und Sanierungen.
Eigentlich ist die Provinz eine einzige endlose Baustelle.

Viele Solaranlagen, viele Windräder, Elektro Roller sowie Elektro Autos und die Abgase der alten LKWs sind bei weitem nicht so dramatisch wie die im Iran.  

Gespielt wird gerne. Drauβen auf der Parkbank, in der Kneipe oder auf dem Straβenboden sitzen Männer wie Frauen und spielen Karten, Majong oder andere Spiele. Auf öffentlichen Plätzen hört man immer wieder Musik, zu der eine Gruppe gemeinsam tanzt oder Gymanstikübungen macht. Sehr witzig anzusehen.


 

 Rauchen ist Volkssport, allerdings rauchen nur die Männer.  

 

 

Die Klos sind super eklig und noch immer ohne Trennwände. Chinesen scheinen wirklich überhaupt keine Scheu zu haben, ihre Sitzung vor anderen Leuten zu halten. Ich finde es immernoch sehr befremdlich in ein Toilettenraum zu kommen

und die Frauen in der Reihe sitzen zu sehen. Ich habe selbst in einer „modernen“ Toilettenanlage gesehen, dass die Frauen die Türen gar nicht schlieβen, sondern bei offener Türe ihr Geschäft verrichten. Da wird getratscht, telefoniert und vor allem viel vor sich hin gespuckt.  

 

Der letzte Pass war erreicht und ich fuhr von 3200m non stop auf 200m abwärts, etwa 80km lang. Von der plötzlichen Hitze wurde ich fast erschlagen und wuβte nicht recht wie ich das aushalten sollte. Es hatte kurz vor Sonnenuntergang noch immer 40 Grad. Ich kam noch bis zu einer Fabrik, an der ich anklopfte und ein Bett bekam.

Im Zelt hätte ich es unmöglich ausgehalten. Der Büroraum wurde für mich bereit gestellt und das erste Mal in meinem Leben stellte ich freiwillig die Klimaanlage an. Ich bekam eine Thermoskanne heiβes Wasser um mich waschen zu können und ganz viel Wassermelone, die hier so lecker ist wie nirgendswo sonst bisher.  

 

 

Morgens ging es in einer Affenhitze durch die Wüste in Richtung Toksun. Ich hatte noch nichts gegessen, nur jede Menge getrunken,  als es mich plötzlich fast umhaute. Mir wurde schwindlig und ich hatte das Gefühl ich müβte brechen.

Mein Tacho war in der Hitze bereits ausgestiegen und die Temperaturanzeige in der Sonne war bei 59 Grad stehen geblieben. Den einzigsten Schatten den ich fand, war ein riesiges Verkehrsschild das den Schatten auf die Straβe warf, doch der Boden darunter kochte. Keine Wolke am Himmel.  

Nicht weit entfernt sah ich ein kleines Haus und ich erhoffte mir, dass es ein Laden sein könnte,  bei dem es kalte Getränke gab. Doch ich hatte wirklich Bedenken bis dorthin zu kommen. 

Irgendwann raffte ich mich auf und hatte Glück, es gab eine funktionierende Eistruhe
und der Ladenbesitzer kapierte sofort was mit mir los war. Er füllte eine Schüssel mit
Eiswasser und gab mir jede Menge Getränke. Die Füβe badete ich im Eis, T-Shirt und Hose
tränkte ich mit Wasser, den Kopf kühlte ich mit Eisbrocken und schüttete permanent Wasser über mich.  

Unweit gab es eine Wasserstelle in denen Kinder badeten. Etwa eine Stunde später, als ich mich einigermaβen wieder im Griff hatte, ging ich dort ins Wasser. 2 Stunden später war ich wieder ok. Allerdings wuβte ich, dass ich von nun an, nachts fahren werde.

Somit wartete ich bis es fast dunkel war und obwohl es noch immer 38 Grad hatte fuhr ich weiter bis Turfan.  

Gegen 24 Uhr erreicht ich die Stadt Turfan, auf -150 m unter dem Meer. Kurz vor den Toren der Stadt hielten mich Mutter und Tochter an und luden mich zur Übernachtung  auf einem Fabrikgelände ein. Es war die Nacht des Endspiels der Fuβball WM und ich machte ihnen per iphone Übersetzung klar, dass ich das Spiel unbedingt sehen möchte.

Punkt 3 Uhr war Anpfiff. Das Mädchen lag neben mir auf dem Sofa und schlief, drauβen bellten die Hunde und ich sah da erste und einzigste Spiel der ganzen WM und wir wurden Weltmeister.

Tagsüber setzte ich mich nun immer in ein klimatisiertes Lokal und wartete auf kühlere Temperaturen. Einige Stunden konnte ich dann nachts fahren, doch entweder es tauchte ein Gewitter auf, oder es stürmte wie blöd, oder ich war einfach total müde und kam somit nicht wirklich vorwärts.

 In Shanshan gönnte ich mir zum Ausruhen ein Hotelzimmer. Ich fing also wieder die nervende Hotelsuche an. Im 10 $ Hotel schüttelte die Rezeptionistin schon den Kopf.

Ich versuchte ihr zu erklären, dass sie mir doch bitte ein Hotel aufschreiben sollte,
in dem ich übernachten darf, was aber in der gleichen Preiskategorie liegt.

Zig Leute waren involviert, jeder wollte schauen, was die Ausländerin möchte, aber keiner verstand was ich will. Schluβendlich schaffte ich es, dass man mir den Namen aufschrieb. Es sei nicht weit. Ich zeigte immer und immer wieder den Zettel irgendwelchen Leuten auf der Straβe und immer hieβ es weiter gerade aus.

Nach bereits 5 km sah ich ein anderes Hotel und fragte dort nach dem Preis. Auch da schickte man mich weiter zu dem Hotel, das auf meinem Zettel stand, da das angeblich das billigste für Ausländer sein soll. Irgendwann, obwohl das Hotel ja so nah sein sollte, stand ich vor einem nagelneuen Luxusschuppen und jeder war sich einig, dass das das Hotel sei das auf meinem Zettel steht. 
Das sind dann die Momente im Leben einer Radreisenden, in denen  man wirklich an dem Verstand der Leute zweifelt.  

In einem Lokal saβen 3 Männer, die mich ganz besonders intensiv beobachteten und dabei auch immer wieder auf ihr handy schauten. Irgendwann kam einer der Männer zu mir und zeigte mir ein Bild auf dem Display, dass mich und den Chinesen aus Yazd auf der Straβe in den Bergen zeigte.

Irgendwie müssen sie Freunde sein und er hatte ihnen das Bild zugeschickt.  Ja die Welt ist manchmal ein Dorf. Vor lauter Begeisterung luden die drei mich zum Essen ein.

In einem anderen Lokal setzte ich mich auf einen Stuhl und kaum später sagte man mir, dass der Stuhl total dreckig sei und ja, meine einzigste Hose war nun am Poppes mehr
schwarz als grau. Die Flecken habe ich nie wieder raus bekommen. Naja, was solls.  

Von nun an ging es nur noch auf der Autobahn weiter, leider gab es keine Alternativen, doch der Verkehr war nicht dramatisch und die Straβe in einem super Zustand und mit einem breiten Standstreifen versehen, so dass ich schnell vorwärts kam.  

Ich taufte die Strecke die Schnitzel-Pipi-Piste. Schnitzel weil im Straβengraben immer wieder tote Schweine lagen, die den langen LKW Transport bei der Hitze wahrscheinlich nicht überlebten und dann einfach in den Graben geschmissen wurden.  

Pipi, weil es unzählig viele Plastikflaschen am Straβenrand gab, die halb oder dreiviertel mit gelber Flüssigkeit gefüllt waren und ich Anfangs mir keinen Reim draus machen konnte, was das sein soll, bis ich nach einigen Tagen dachte, das kann nur Pipi sein. LKW Fahrer pinkeln in die Flasche um nicht anhalten zu müssen und schmeissen die Plastikflasche dann einfach aus dem Fenster.

Die Schnitzel-Pipi-Piste ging endlos gerade aus. Ich durchstreifte die Gobi Wüste und ich
würde sagen die Landschaft war eben so wie man sich eine Wüste vorstellt. Leer und endlos. Doch irgendwie machte es mir nichts aus. Ich brauchte die menschliche Pause, es hatte was von Meditation, von Leere, von Ausruhen. Das pedalieren ging fast von alleine,
ich radelte jeden Tag mehr als 100km und war deswegen trotzdem abends nicht kaputt.

Manchmal hatte ich auch leichten Rückenwind.

Der Wind ist ein Phänomen, denn er wechselt andauernd. Mal stürmt es von vorne, dann wieder plötzlich von hinten. 10 km später kommt er von der Seite und das alles in einer Gegend, in der es nur gerade aus geht und alles flach ist.  

Unter der Autobahn gibt es in kurzen Abständen Wasserabflusskanäle in denen man wunderbar sein Zelt aufstellen kann und ungesehen schlafen kann.  

Zugegebenerweise nicht die leiseste Ecke, aber der Lärm ist weniger dramatisch als man es sich wohl so vorstellt, wenn man das hier nun liest.  

 

 

 In der Stadt Hami wurde der Einfluβ der Uiguren immer weniger und ich hatte den Eindruck  hier leben nur noch Han Chinesen. Die Auβenbezirke der Stadt waren eine  endlose Baustelle.

Ein Rohbau Hochhaus nach dem anderen. Ich fragte mich wer da alles einziehen will. In Xingxingxia erreichte ich das Ende der Provinz Xinjiang. Die gröβte Chinesische Provinz, gröβer als Alaska, hatte ich nun nach 1650km durchquert und stand an der Grenze zu Gansu. 

Drei männliche Solo Radler waren zur gleichen Zeit am Ort und wir zelteten gemeinsam
in einem leer stehenden Fabrikgelände. Ein Chinese, ein Japaner und ein Hong Kong Chinese.

Der Chinese umrundet China, der Japaner will nach Europa und der Hong Kong Chinese radelt nach Moskau.  

 

 Wie es nun in Gansu weiter ging, dann beim nächsten Mal.

3 Kommentare

  1. liebe heike
    auf fb hat jmd einen blog artikel von dir gepostet und so stiess ich auf deinen afrika blog, den ich mit viel spannung „rückwärts“ las und deine super tollen bilder bewunderte!
    nun begann ich ganz von vorne zu lesen bei der nr. 1 und bin begeistert von deinen erlebnissen und fotos. danke fürs online stellen.
    wünsche dir weiterhin alles gute und grüsse dich aus der schweiz.
    doro

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3 Kommentare

  1. liebe heike
    auf fb hat jmd einen blog artikel von dir gepostet und so stiess ich auf deinen afrika blog, den ich mit viel spannung „rückwärts“ las und deine super tollen bilder bewunderte!
    nun begann ich ganz von vorne zu lesen bei der nr. 1 und bin begeistert von deinen erlebnissen und fotos. danke fürs online stellen.
    wünsche dir weiterhin alles gute und grüsse dich aus der schweiz.
    doro

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